Frau Ministerin Manuela Schwesig
Ministerium für Soziales und Gesundheit
Werderstraße 124
D 19055 Schwerin
Sehr geehrte Frau Schwesig,
dem Magazin „Der Spiegel“ entnimmt man, daß Sie es als Ministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern unternommen haben, eine Werbeagentur für Lobhudeleien über Ihre Person und Ihre Politik mit Steuergeld zu bezahlen und die so entstandenen Propagandatexte Zeitungen zum Abdruck anzuweisen. Dabei haben Sie wohl gemeint, die Zeitungen bzw. deren Chefredakteure seien Ihre Untergebenen, die zu gehorchen hätten; es fehlte nur der Hinweis, wer nicht veröffentliche, werde abgesetzt oder komme ins Arbeitslager.Ihr ungenierter Versuch, (noch) unabhängige Presse in Propagandaorgane von Machthabern umzufunktionieren, verdient tiefe Verachtung nicht nur der Journalisten im Land. Die sind keine Transporteure der Verlautbarungen der korrupt-mafiosen Classe politique, sondern deren berufene Dauergegner. Die Pflicht von Journalisten besteht darin, Parteibuch-Karrieristen so viele Probleme wie nur möglich zu machen und so viele wie möglich möglichst rechtzeitig um ihr Amt zu bringen.
Wer nun in einem politischen Amt Journalisten nach Art des Unrechtsstaats DDR offenbar wieder als „kollektiver Propagandist, kollektiver Agitator und kollektiver Organisator“ mißbraucht, um notwendige Kritik durch machtorientierte Sprachregelung – „Vorbilder“ gibt‘s reichlich, von Goebbels bis Geggel – zu ersetzen, hat nicht nur den Journalismus, sondern auch die Gewaltenteilung („Checks and balances“) nicht verstanden.
Statt dessen scheint sich für Ihr Ministerium seit dem Wörterbuch der sozialistischen Journalistik, Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Journalistik. Leipzig 1984, S. 144, nicht viel geändert zu haben: „Die Grundfunktion der Nachricht als Genre in den sozialistischen Massenmedien besteht in einer auf die Informationspolitik der Partei der Arbeiterklasse bezogenen ‚Agitation durch Tatsachen‘“.
Daß sich die von Ihnen wie Befehlsempfänger zur Publizierung – sogar mit Zeitplan! – angewiesenen Chefredakteure unisono geweigert haben, ist der einzige Hoffnungsschimmer in dieser empörenden Affäre. Ansonsten haben Sie durch den mit Steuergeld finanzierten Personenkult und die dreiste
Instrumentalisierung der Medien als – doch nicht willige – Vollstrecker politischer Ehrgeizlinge mehr über sich öffentlich gemacht, als Ihnen – und Ihrer niedergehenden Partei – lieb sein kann.
Sollten Sie Ihr Talent in einer besonders geeigneten Umgebung zur vollen Blüte bringen wollen, könnten wir Ihnen ein günstiges One-way-ticket noch China oder Nord-Korea vermitteln …
Mit freundlichen Grüßen
(Hans Werner Conen)
Vorsitzender