Es begann mit stundenlangen Sondersendungen, die sich mühten aus Null Informationen ein mediales Feuerwerk zu zaubern. Entstanden ist noch nicht einmal ein Tischfeuerwerk. Aussagen wie „Spekulationen verbieten sich“ folgten stundenlange Spekulationen.
Es ist ein Jammer, dass ohne irgendeine Ahnung und mit wenig Fakten möglichst viele Schlagzeilen und sinnlose Artikel produzieren werden müssen. Früher hätte es eine kurze Nachricht in der Tagesschau gegeben und bei Vorliegen weiterer “Nachrichten“ – man beachte den Begriff – hätte man in späteren Sendungen diese nachgeschoben.
Hier einige Beispiele des bemitleidenswerten Tiefpunkt deutscher Medien:
Es kann Jahre dauern die Unfallursache zu finden ….
möglicherweise erfahren wir schon Morgen die Unfallursache …
die Blackbox ist möglicherweise beschädigt …
rätselhaft warum es so lange keinen Funkkontakt gab …
möglicherweise war die Maschine zu alt …
die Maschine wurde überdurchschnittlich gut gewartet …
Ein Terroranschlag kann ausgeschlossen werden …
möglicherweise ist die Maschine ein Opfer eines Anschlages
Nicht unterschlagen möchte ich auch den Fremdschämhöhepunkt in Gestalt von Franz Josef Wagner und seinen philosophischen Gedanken über die Sekunden vor dem Tod der Passagiere und die Frage, ob sie glücklich starben.
Mehrstündige Sondersendungen mit so gut wie keinen Informationen muss man nicht produzieren. Es geht bei TV und Print nur noch um Quote bzw. Auflage und nicht mehr um die Nachricht. Dabei sollten Journalisten bei derartigen Ereignissen den Menschen beim Verstehen helfen und nicht die Verwirrung steigern.
Hat der Niedergang des Journalismus vielleicht mit genau dieser Art der Berichterstattung zu tun. Ein Kollege forderte einmal „Fakten, Fakten, Fakten“. Könnte man mal wieder versuchen.
Betroffenheit statt Journalismus
Hat man nichts zu berichten, kann man ja zumindest Passanten und Psychopseudowissenschaftler befragen. So fragen Medien Fluggäste wie sie sich vor dem Boarding angesichts des Absturzes fühlen! Die Meinung von drei Fluggästen darf als überflüssig bezeichnet werden. Interviews mit Pfarrern über die Gesprächsführung mit Angehörigen stehen den Fragen der Moderatoren an die Empathieprofis von der Psychofront kaum nach.
Sehr schön auch die Bilder der verzweifelten Angehörigen oder Bilder vom Schulhof. Man kann kaum inhaltsbefreitere Bilder übertragen. Brauchen wir das wirklich? Sicherlich nicht.
Nichtssagende Propaganda von Politikern, die mit ihrer geheuchelten Empathie die Gelegenheit sehen in den Umfrageergebnissen zu punkten, muss man auch nicht verbreiten.
In den sozialen Medien hat dann auch noch jeder B-Promi seine Betroffenheit geäußert und die Masse eifert mit RIP Postings und Kerzenbildern nach. Das scheint in den Sendern und bei Print zum Ersatz der Journalisten durch Betroffenheitsmanager geführt zu haben. 82 Millionen Deutsche sind aber nicht betroffen. Für die große Mehrheit ist es einfach nur eine traurige Nachricht und die exzessive Berichterstattung dient nur der Befriedigung von Sensationslust auf dem Niveau der Unfallgaffer auf deutschen Straßen.
Stimmt nicht? Warum wird dann nicht von den täglich 10 Verkehrstoten in Deutschland respektive 1600 weltweit berichtet und warum lassen wir uns davon nicht in eine Dauerbetroffenheit treiben? Wo ist die Betroffenheit mit den 80 Menschen, die täglich multiresistenten Keimen zum Opfer fallen?
Wie viele Tote bei einem Einzelereignis benötigt der Deutsche für das Kultivieren allgemeiner Betroffenheit?
Geht es nicht mehr um die narzisstische Selbsterhöhung derjenigen, die sich als besonders leidend darstellen? Wer leidet schöner? Ein ekelerregender Wettbewerb von charakterlosen Egoisten.
Dazwischen schieben sich dann zu allem Überfluss auch noch die Empörten, die die Krisenkommunikation bemängeln oder sich über Dinge aufregen, deren Fakten gar nicht bekannt sind. Hauptsache man kann seine Fresse in die Kamera halten und bekommt etwas von der Aufmerksamkeit ab. Auch das muss man nicht verbreiten.
Journalisten sollten sich auf ihr Geschäft besinnen und Nachrichten statt Betroffenheit produzieren. Die wirklich Betroffenen machen den Rest auch ohne uns ganz gut. Wer den Angehörigen wirklich helfen will, der lässt sie möglichst in Ruhe die Ereignisse verarbeiten. Journalisten sollten da einfach einmal die Klappe halten und auf Distanz gehen.