Der DJV Bundesverband und die taz kritisierten in den letzten Tagen mehrfach einen Link auf unserem Twitter-Account @DJVBB als unethisch oder unmoralisch. Der Link führt zu einem 42-Sekunden-Video einer Holländischen Plattform, der den Schuss eines Terroristen auf den am Boden liegenden Polizisten zeigt. Wir können diese Kritik nicht kommentarlos hinnehmen, da diese einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellt.
Beginnen möchte ich mit dem Hinweis, dass die Behauptung einiger Kollegen, dass Ziff. 11 des Pressekodex eine Verbreitung des Links verbieten würde, keinesfalls zutrifft. Es handelt sich um keine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, und die Darstellung geht auch nicht über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse des Lesers hinaus.
Auch Absatz 3 greift nicht, da das Leid in keiner Weise ausgekostet wird. Die Szene zeigt nicht erkennbare Personen und auch beim Opfer ist keinerlei identifizierbare Darstellung gegeben. Die Szene wirkt durch das Geräusch des Schusses und ein kurzes Aufblitzen des Mündungsfeuers.
Die Macht der Bilder
Diese Szene wird die Ikonografie eines Jahrzehnts prägen, wie es das Bild der ins WTC einschlagenden Maschinen bei 9/11 getan hat. Dass an meiner Einschätzung etwas dran sein könnte, zeigen die Titelseiten von New York Times, Times London, Bild und vielen anderen renommierten Blättern, die fast alle genau das Standbild des Schusses zeigen.
In Deutschland sind erfreulich viele Zeitungen unserem Aufruf in Twitter gefolgt, die Karikaturen von Charlie Hebdo auf die Titelseiten zu nehmen und ein Zeichen zu setzen. Das ist gut für den Journalismus, es wird aber langfristig nicht die Erinnerung an diesen Tag prägen, der unsere Erinnerung in ein „davor“ und „nach“ teilen wird.
Journalismus darf nicht feige sein!
Es ist völlig egal, ob Kritik aus dem Kreis der Kollegen oder des eigenen Dachverbandes an der Verbreitung des Links geübt wird, Journalismus muss sich etwas trauen. Natürlich muss jeder Journalist für sich selbst entscheiden, wo das Informationsinteresse endet und der Voyeurismus beginnt. In diesem Fall hat das unzensierte Zeigen der Tat einen hohen nachrichtlichen Wert und die Macht dieser Bilder stellt jeden Versuch, mit Worten die Brutalität der Angreifer zu zeigen, weit ins Abseits. Bei Journalismus geht es um Nachrichten und Inhalte und nicht um die Frage, ob die Berichterstattung dem durch Walldorfschule und Multikulti geprägten Rezipienten den Appetit verdirbt. Weich gespülter Journalismus wird auf Dauer nicht erfolgreich sein, und außerdem hat der Rezipient ein Recht auf die volle Information.
Unnötig unappetitlich wäre das Zeigen von Nahaufnahmen mit Blut und Verletzungen, da dies nur der Sensationsgier dienen würde. Das trifft aber hier in keiner Weise zu.
Das verlinkte Video einer holländischen Plattform wurde von verschiedenen Sendern gezeigt. Darunter waren france24, 20minutes und ntv. Letztere haben in ihrer Mediathek eine entschärfte Fassung und man kann aktuell nicht mehr sehen, was um 13:30 Uhr auf Sendung war. Ein Kollege von ntv hat uns aber bestätigt, dass der Video unbearbeitet gezeigt wurde. Quer durch die Fernsehlandschaft tauchten später Versionen auf, die für die Sekunde des Schusses ein Schwarzbild zeigten oder sie verpixelten den Moment des Schusses. Ich kann den großen Unterschied zur unzensierten Fassung nicht erkennen. Das Gehirn ergänzt die fehlenden Pixel und man hat vor dem inneren Auge doch wieder das Original.
Bin ich ein besserer Mensch, falls ich ein paar Pixel entferne?
Damit hätte ich mich sicher unangreifbar gemacht. Allerdings hätte das auch viel Zeit gekostet, da ich auf das Editieren von Videos nicht eingerichtet bin. In ähnlichen Situationen haben sich Redaktionen in aller Welt auch sehr häufig für das nicht editierte Original entschieden. Geschwindigkeit geht in solchen Situationen vor Perfektion.
Ich habe etwas später ein umfangreicheres Video der New York Times verlinkt, welches ein Schwarzbild über den Moment des Schusses legt. Das ändert nicht viel, beruhigt aber die Gemüter einiger Spezialisten für Ethik. Dabei geht es mir vor allem darum, dass ich angesichts des Anschlags auf die Pressefreiheit eine Diskussion über eine Sekunde des Videos für eine unnötige Ablenkung vom Anschlag halte.
Beim ZDF blieb nur noch der Anfang des Videos mit Blumentopf und das Ende mit dem wegfahrenden Auto übrig. Der Nachrichtenwert dieser Fassung ist gleich Null und zeigt die Folgen von Anpassung und Selbstzensur. Nur nirgendwo anecken! Das ist die Kapitulation des Journalismus.
Es gibt nur eine Pressefreiheit
Die Kritik der taz muss man nicht ernst nehmen, da diese als Anhänger des linken Appeasement so reagieren müssen. Das ist bei der taz und einigen Gutmenschen schon ein nicht mehr unterdrückbarer Reflex. Unverständlich dagegen ist, das der DJV Bundesverband da nicht widerspricht und sich hinter seinen Landesverband stellt, sondern von uns die Löschung des Links fordert. Eine Diskussion zu dieser Frage kann man führen. Eine direkte Einmischung ist allerdings nicht akzeptabel.