Antisemitismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Antisemitismus hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine lange Geschichte, die bis in die Gegenwart reicht. Siegfried Zimmermann hat das für das deutsch-israelische Onlinemagazin haOlam.de kommentiert.

Der mdr hat sich bis heute nicht beim ehemaligen Fernsehdirektor Bernd Träger entschuldigt.

Die Zeit heilt keine Wunden:

Fragen um Antisemitismus im Mitteldeutschen Rundfunk – Studie belegt Bedrohungsgefühl bei jüdischen Bürgern – Juden wollen keine Geburtstagspost, weil Davidstern auf dem Umschlag – Prozeß gegen Halle-Attentäter beleuchtet die Szene – Zeugen geben Hoffnung – Analyse fordert Netzwerk von Journalisten für jüdische Themen

Antisemitismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Kommentar von Siegfried Zimmermann

Es sind, nicht nur wegen Corona, dunkle Zeiten: In Magdeburg steht in diesen Tagen der 27jährige Doppel-Mörder von Halle bei zugleich 68fachem Mordversuch (nach Eingeständnis) vor Gericht: Jüdische Mitbürger – in Sachsen-Anhalt und nicht nur dort – fühlen sich knapp ein Jahr nach der Blut-Tat in ihrem Lebenskreis nicht mehr sicher. Fragen stellen sich laut und vernehmlich: Bleiben oder Gehen? Der zuständige Fachmann in der Staatskanzlei der Landesregierung Wolfgang Schneiß spricht von einem „großen Graubereich“. Probleme über Probleme – und eine notwendige Rückblende auf Vorgänge im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR): Weit zurück zwar, aber mit dem Verdacht auf einen unterschwelligen Antisemitismus im Hauptsender dieses Bundeslandes behaftet? Eine provozierende Vorstellung – aber die Frage lässt sich nur schwer vermeiden.

Beginnen wir, wie alle Märchen beginnen:

Es war einmal…

Zu Beginn der 90er Jahre – die neuen Länder, wie sie leicht distanzierend heißen – etablieren sich allmählich. Die ARD nimmt den „Mitteldeutschen Rundfunk“ als immerhin viertgrößte Anstalt in die wohlbetuchte Sender-Familie auf. Da gelangten gleichsam über Nacht – mit Karriere-Chancen aus den westlichen ARD-Regionen angelockt – journalistische Aufbauhelfer in hohe Positionen. Mit An- und Welt-Sichten, die garantiert – damals wie heute – keineswegs unbestritten waren und sind.

Ja, gar befremdlich.

Vorab: Es muss nichts heißen, aber im digitalen Zeitalter, das binnen Sekunden auf jeden Klick seinen Computer-Inhalt preisgibt, schon ein merkwürdiges Phänomen – wenn der IT-ferne Laie schlicht in der MDR-Mediathek nachfragt: Frei nach „Faust“ – wie haltet ihr es als Sender mit dem jüdischen Leben im Lande? Aber auf die drei Stichworte „MDR-Sendungen über jüdisches Leben“ oder „Jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt“ oder „MDR sendet über jüdisches Leben“ kommt – raten Sie mal! – die dreifach lapidare Antwort: „Ihre Suche ergab keine Treffer“…

Zufall, falsches Stichwort, überforderte Mediathek? Mag sein, aber seltsam, sehr seltsam schon.

Erstaunlich insofern, als sich der Sender offenbar mit den bestürzenden Auswirkungen von Denkweisen und Ansichtssachen zum Thema „Judentum in Sachsen-Anhalt“ recht aktuell durchaus Gedanken macht: Mit Stand „19.Oktober 2019, 11 Uhr 26“ stellte der anhaltinische Funk – wenige Tage nach dem Drama von Halle – die Ausarbeitung einer MDR-Journalistin zum Begriff „Antisemitismus“ ins Netz. Sie schrieb einleitend:

„Antisemitismus ist ein Problem in Sachsen-Anhalt. Das hat der Anschlag von Halle auf schreckliche Art gezeigt. Doch zunehmend bedroht fühlt sich die jüdische Gemeinschaft schon länger: durch subtilen Antisemitismus, der sich schwer erfassen lässt.“ Die Studie gibt dem zuständigen Ansprechpartner für jüdisches Leben in der Magdeburger Staatskanzlei (also der Regierungszentrale), Wolfgang Schneiß, mit einer deutlichen Feststellung das Wort: „Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland hat bereits vor dieser Tat signalisiert, dass sie beunruhigt ist und Antisemitismus zunimmt.“ Es gebe dabei einen „großen Graubereich“.

Dann führt er drei, sehr konkrete Beispiele auf, die den Leser bei der Lektüre erstarren lassen:

„Das Banner mit der Aufschrift `Otto braucht eine Synagoge` in Magdeburg muss mittlerweile mit einer Sicherheitskamera bewacht werden, weil es öfter abgerissen wurde. In Halberstadt hörte ich, dass es Gerüchte gibt wie `Reiche Juden kaufen die Innenstadt`. Beispiel Nummer 3: Ein Mann bat seine Gemeinde, ihm keine Geburtstagskarte mehr zu schicken, weil auf dem Umschlag ein Davidstern abgebildet sei – und er nicht wollte, dass seine Nachbarn wissen, dass er Jude sei.“

Und dies alles bei lediglich 1350 Juden in Sachsen-Anhalt – weniger als 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung…

Da lohnt es wohl – nach der erstaunlicherweise misslungenen Nachfrage nach „jüdischem Leben“ im MDR – ins Archiv zu greifen. Und siehe – das Märchenhafte nimmt kein Ende – es erscheint eine Story des Magdeburger TAZ-Korrespondenten Eberhard Löblich von Ende 1994 mit der Schlagzeile „Zuviel Jüdisches“ – ohne Fragezeichen, wohlgemerkt. Die Unterzeile fragt provokant „Latenter Antisemitismus im MDR-Funkhaus Magdeburg?“ Und fährt – offenkundig unwidersprochen – im Detail fort, was sich im Sender am idyllischen Elbe-Winterhafen zutrug:

„Da moniert z.B. der Ressortleiter Aktuelles/Landespolitik, `dass die Anzahl der Sendungen zum Thema Israel/Juden möglicherweise zu oft im Programm`sei.“ So jedenfalls – so die TAZ – habe es im Protokoll einer Ressortleiter-Sitzung gestanden. Der Ressortleiter habe später von `Massierung` gesprochen und war „bemüht diese `Massierung` zu begrenzen“.

Löblich fährt fort und merkt offenkundig spezielle Ansichten des damaligen Funkhaus-Direktors Dr. Ralf Reck zu diesem Thema an. Wörtlich schreibt er: „Als 1992 der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, zum ‚Magdeburger Gespräch‘ ins TV-Studio eingeladen worden sei, lud der Funkhaus-Chef den Gast schriftlich `mit Bedauern` aus“, so die TAZ. Laut Löblich habe sich der damalige TV-Chef an der Elbe, Bernd Träger, immer wieder für Beiträge zum Thema „Juden“ eingesetzt. Dabei wird dieser mit der plausiblen, durch Umfragen – bis in die Gegenwart – immer wieder zutreffenden Erklärung zitiert:

„Wegen der fehlenden Holocaust-Aufarbeitung zu DDR-Zeiten gibt es einen enormen Nachholbedarf.“

Lewy erlebte später bei einer Diskussion mit Gymnasiasten in Gardelegen übrigens sehr konkret, was es damals hieß, mit jungen Menschen über das deutsch-jüdische Verhältnis zu debattieren: Ein Protokoll der Veranstaltung verzeichnet großes Unverständnis, ja Bestürzung von Generalkonsul Mordechay Lewy. über die fehlenden, simpelsten Grundkenntnisse der Schüler bei diesem Thema. Höhepunkt der Befremdlichkeit sei, so das Protokoll, die Anmerkung einer 18jährigen Schülerin gewesen, die sinngemäß zum Besten gab: „Sie reden immer nur von dem Tod und der Ermordung von Juden in Konzentrationslagern. Ich weiß von meinen Eltern, dass in Konzentrationslagern auch Deutsche umgekommen sind.“

Man glaubt es nicht, aber so steht es im Protokoll.

Zurück in die Domstadt: Wie einst bei den Gebrüdern Grimm, begaben sich am Strand der Elbe aber – folgt man dem TAZ-Bericht – noch andere Dinge: So sei ein „Intimus“ des damaligen Direktors, so nennt ihn das Blatt, später kommissarischer Nachfolger des offenbar den MDR nicht freiwillig verlassenden TV-Chefs geworden. Der Nachfolger, ein anscheinend für den neuen Job im fernen Osten besonders geeigneter Ex-Polizei-Reporter aus Hamburg namens Heiner Tognino, mit einer mutmaßlich fatalen Neigung zu durchaus befremdlichen An- und Einsichten über „Rückgabe oder Entschädigung“ für jüdische NS-Opfer. So soll er – folgt man der TAZ – einen Journalisten beauftragt haben, zu recherchieren, ob und wo in der Landeshauptstadt von jüdischer Seite womöglich unberechtigte Ansprüche geltend gemacht würden. Von der damaligen Judaica-Fachfrau im Funkhaus schreibt der Autor, sie habe „immer wieder erleben müssen“, dass Heiner Tognino ihr „Themen aus dem Programm kegelte“. Schließlich habe er der Kollegin nach weiteren Auseinandersetzungen „gänzlich“ untersagt, jüdische Themen zu bearbeiten. Die TAZ weiter lapidar: „Als sie gegen die Einschränkung ihrer Tätigkeit klagte, feuerte sie der MDR fristlos.“ Nach all den geschilderten Vorgängen stellte Löblich am Ende nur noch resigniert fest: „Seit Mittwoch vergangener Woche ist der kommissarische TV-Chef fest bestellter Fernsehchef in Magdeburg.“

Im Märchen heißt es an dieser Stelle stets: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…

Da verschlägt es dem geneigten Beobachter die Sprache: Soviel – offenkundig unwidersprochen – aufgeführter Mangel an Respekt, Sensibilität und Führungskraft – alle Achtung, öffentlich-rechtliches System! Beiseite und ganz aktuell: Kein Wunder, dass vor allem Sachsen-Anhalt und Thüringen in der aktuellen Debatte über die Rundfunk-Gebührenerhöhung mit Blick auf die gesamte Struktur eine gehörige Skepsis an den Tag legen.

Es wäre ein Wunder, hätte sich DIE WELT damals das Bubis-Thema entgehen lassen. Von Flensburg bis Garmisch nachlesbar, meldete das Blatt seinerzeit auf der vielzitierten Titelseite: „Rundfunksender lud Bubis aus – MDR brüskiert Sprecher der deutschen Juden“. Ausgerechnet am 9.November habe der MDR mit seinen Hunderttausenden von Gebührenzahlern Bubis die rote Karte gezeigt.  Dies alles geschah, obwohl es in den Wochen vor der Ausladung in mehreren Städten – auch im Osten – zu antisemitischen und ausländerfeindlichen Ausschreitungen gekommen und Bubis selbst in Rostock bedrängt worden war. „Ich hatte bereits mündlich zugesagt“, zitierte das Blatt damals den hochangesehenen Sprecher der deutschen Juden. Der damalige Funkhaus-Direktor Ralf Reck „besann“ sich, wie die WELT schrieb, dann eilends und hielt die schriftlich zurückgezogene Einladung angesichts des öffentlichen Echos am Ende wieder aufrecht – die MDR-Blamage war gleichwohl perfekt und republikweit – ganz im Sinne des Wortes, offen sichtlich.

In der damals auch von Attacken auf jüdische Einrichtungen beherrschten innenpolitischen Atmosphäre sagte Bubis später mit resignierendem Unterton: „Ich sehe die Demokratie in der Bundesrepublik nicht gefährdet. Deswegen kann ich keinen hier lebenden Juden ermuntern, das Land zu verlassen.“ Aber: „Ich kann auch nicht sagen: Bleibt unter allen Umständen hier.“

Was für ein Satz – weit vor der undenkbaren Hallenser Blut-Tat, aber fast 50 Jahre nach dem  allein von den Alliierten unter hohen Opfern erkämpften Sieg über den Holocaust!

Dieser beschämende Vorgang sollte jedoch längere Zeit später für die Beteiligten im MDR nicht ohne Folgen bleiben. Was sich dort im Detail zutrug, schilderte die links-liberale FRANKFURTER RUNDSCHAU seinerzeit auf einer kompletten Seite (dem journalistischen Aushängeschild einer Zeitung). Autor Karl-Heinz Baum skizzierte im Einzelnen die Bubis-Affäre und breitete aus, welche Ereignisse sich nach seinen Recherchen daraus ergaben:

So sei der damalige Magdeburger TV-Chef Bernd Träger offenkundig aus seinem Amt gedrängt worden – unter anderem mit einer 25 Seiten umfassenden Vorlage des damaligen MDR-Intendanten Udo Reiter (CDU) für den MDR-Verwaltungsrat. Hier wurden – folgt man dem FR-Text – ganz im Stil eines Stasi-Handbuchs `a la „Wie bekämpfe ich den Klassenfeind“ minutiös der Tageslauf und angebliche Schwachstellen des TV-Chefs über Seiten und Seiten aufgelistet – offenkundig ein Produkt jahrelanger, SED-üblicher Bespitzelung und Kontrolle. Die Bubis-Ausladung rechtfertigte der Direktor damit, das Interview stehe in „keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Sachsen-Anhalt“. Denselben Mangel meinte der Direktor auch ein Jahr später (ebenfalls in der Spitzel-Vorlage notiert) beklagen zu müssen, als der TV-Chef den für die neuen Länder zuständigen Berliner Generalkonsul, Mordechay Lewy, zum „Magdeburger Gespräch“ bat.

Dass der offenkundig überforderte und – wie zu Vor-Vereinigungs-Zeiten – vermutlich einem obrigkeitshörigen Denken zugeneigte Verwaltungsrat die Vorlage samt Kündigung abnickte, steht auf einem anderen Blatt: Wer weiß, ob das Gremium überhaupt begriff, was dieses Sammelsurium an anonymen Schmäh-Vorwürfen bedeutete und welche gravierenden Folgen damit verbunden waren.

Ganz im Stil übelster DDR-Propaganda wurde – so die FR – in der Vorlage der Name Lewy in „Levi“ verdreht. Und: „Wie zu SED-Zeiten heißt es darin, `der in Westberlin ansässige israelische Generalkonsul“. Deutlich distanzierend im primitiven Ossi-Wessi-Stil ist überdies von einem „westdeutschen Vertreter der jüdischen Gemeinde“ die Rede. Der Lewy-Auftritt kam gleichwohl zustande, und der Israeli bedankte sich später bei Bernd Träger für seinen „aufklärenden Beitrag“, den er „sehr zu schätzen“ wisse.

Auch ein weiteres, führendes Blatt der deutschen Presse-Szene nahm sich offenbar diffuser Vorgänge im Weichbild des MDR an: Sogar die „Süddeutsche Zeitung“ räumte im Herbst 1995 die gesamte Seite 3 für ihre MDR-Analyse unter der Schlagzeile „Quotenkönig im Postenschacher“ frei – (illustriert mit einem strahlenden Foto des damaligen Funkhaus-Direktors, einem Mann namens Ralf Reck, folgt man den Akten). Der zugespitzte Vorwurf des Autors: „Der MDR ist – wie schon die Fernsehanstalten im Westen der Republik – zur Beute der Parteien geworden.“ Der damalige Funkhaus-Chef Ralf Reck sei ein „besonders erfolgreicher Beutejäger“ gewesen. Aus dem Artikel geht ebenfalls hervor, dass Reck – ein Hamburger Jung – ein CDU-Parteibuch besaß. In dieser personalpolitisch durchgewalkten Branche sicherlich nie ein Nachteil… Nach

Foto: Immanuel Giel / CC0

mehreren, offenbar hoch umstrittenen und auch mit Parteien-Geklüngel zusammenhängenden Vorfällen verließ der ARD-Führungsmann – vermutlich nicht unbedingt freiwillig – schließlich als hochdotierter „Sonderkorrrespondent für Osteuropa“, so die SZ, die Elbestadt. Offenkundig unwidersprochen schloss Autor Hans-Jörg Heims seine ausführliche Betrachtung mit einer besonderen Pointe: So habe  die „unabhängige Produktionsfirma Elb-TV, deren Geschäftsführerin die Lebensgefährtin des Funkhaus-Direktors“ sei, die Eintragung ins Handelsregister seinerzeit unter der Nr. 4569 mit der Adresse des Funkhauses mit `Magdeburg, Am Winterhafen 8` vorgenommen. Der ironisch-finale Satz aus München lautete damals: „Wie gesagt, ein idyllischer Flecken Erde.“

BILD wartete damals sogar mit konkreten Zahlen auf und konnte diese Erkenntnisse offensichtlich folgenlos publizieren. Wörtlich schrieb das Blatt über den Funkhaus-Chef: „Weiterer schwerer Vorwurf: Er soll an die Fernseh-Produktionsfirma seiner Freundin in Hamburg Aufträge von insgesamt 500 000 Mark verschachert haben.“

Es scheint wahrlich auch hier wie einst im Märchen zu sein: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Was den – nicht nur in Sachsen-Anhalt – lebendigen Antisemitismus angeht, so legte sehr aktuell in diesem Jahr die neu gegründete „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – bundesweite Koordination“, kurz RIAS genannt, unter dem Titel „Antisemitismus in Sachsen-Anhalt“ eine beeindruckende, umfangreiche Studie vor. In Interviews mit Leitern und Mitarbeitern jüdischer Einrichtungen im Land sammelten die Verfasser bestürzende Erkenntnisse. Wörtlich heißt es in der Ausarbeitung:

„Die Interviews ergaben, dass a l l e jüdischen Interview-Partner und alle Einrichtungen, die als jüdisch erkennbar sind, von Antisemitismus unmittelbar betroffen sind. Der Großteil der Betroffenen nimmt sowohl offenen als auch latenten Antisemitismus wahr. In den Interviews wurde eine Vielzahl von Vorfällen geschildert, die den Befragten in ihrer Gemeinde, Arbeit oder privat begegnen, wie etwa gezielte Sachbeschädigungen, verletzendes Verhalten, Beleidigungen oder Bedrohungen.“

Mit beklemmendem Unterton heißt es weiter in der Analyse: “Auf individueller und institutioneller Ebene sahen sich die Befragten oft einer teilnahmslosen und ressentimentgeladenen Umgebung gegenüber, die besonders von einem latenten Antisemitismus bestimmt wird. Juden in Sachsen-Anhalt machen oft die Erfahrung, außerhalb jüdischer Communities mit ihren Erfahrungen weitgehend  a l l e i n e  gelassen zu werden.“

Was für ein Fazit!

Um zu konkreten Ideen zu gelangen, die – im weitesten Sinne auch den MDR und die Presselandschaft in Sachsen-Anhalt betreffen könnten und sollten – muss sich der Leser bis Seite 89 vorarbeiten. Dort schlagen die Autoren eine sinnvolle, bislang noch nicht verwirklichte Einrichtung vor:

„Ein Netzwerk von Journalisten im regionalen und überregionalen Print-, Online- und Rundfunk-Bereich aufzubauen und zu pflegen, das Anlass bezogen über die neuesten Erfahrungen und Einschätzungen berichtet.“ Die Wissenschaftler schonen auch das eigene Bundesland nicht, denn: „Antisemitismus ist ein verbreitetes gesellschaftliches Phänomen, dessen Ausprägung sich in a l l e n gesellschaftlichen Schichten und Milieus wiederfindet. Das gilt a u c h für Sachsen-Anhalt.“ Da bleibt die Hoffnung, auch der MDR werde sich – dem geforderten Netzwerk angeschlossen – in dieser Vernetzung als Motor begreifen und das sensible Thema „Antisemitismus“ beflügelter denn je aufgreifen.

Dann lässt sich vielleicht eines Tages auch in der MDR-Mediathek unter dem Stichwort „Jüdisches Leben“ eine Vielzahl von Sendungen finden – die, wer weiß, unter anderen Begriffen schlummern.

Derweil bleibt dem Betrachter der Szene eine emotionale Hoffnung, die nach einem der jüngsten Verhandlungstage im Halle-Prozess auflebt. Dort schilderte der mit seinen Glaubens-Brüdern und Schwestern während des Anschlags in Todesangst ausharrende Kantor der Gemeinde, was ihm Tage nach der Mordtat widerfuhr:

„Ich bin noch einmal zur Synagoge. Dort waren viele Menschen, die wenigsten Juden. Es waren junge, aber auch alte Hallenser. Sie haben Shalom gesungen, `Frieden`. Sie haben uns gesagt, sie werden diesen Ort nicht verlassen, wir beschützen euch. Und dann habe ich verstanden:

Das ist das Deutschland, das ich kenne.“

Ein Satz, der Zuversicht schenkt, Versöhnung meint und sagen will: Bleibt hier, bitte!

Der Original-Artikel erschien zuerst bei haolam.de und wir bedanken uns für die Genehmigung zur Veröffentlichung

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