Das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ist überflüssig und schließt keine Schutzlücken
Die Darstellung des BDZV / VDZ zum Leistungsschutzrecht vermittelt den Eindruck von Schutzlücken, die es in der Realität aber gar nicht gibt.
1. Das Leistungsschutzrecht wird für die Durchsetzung von Rechten nicht benötigt.
Das Urheberrecht gewährt bereits heute einen umfassenden Schutz und geht eigentlich schon zu weit, da es ausnahmslos ist und kein Fair Use kennt. Zukunftsträchtige Internetdienste entstehen daher vornehmlich außerhalb Deutschlands. Das Leistungsschutzrecht würde dieses Problem nur eskalieren.
– Aggregatoren: Die Behauptung Aggregatoren würden leicht konsumierbare Nachrichtensammlungen liefern, an denen die Verlage und Journalisten nichts verdienen würden, trifft nicht zu. Die Verlage könnten jederzeit bei den Aggregatoren den Wunsch nach Delisting äußern und würden sofort aus dem Angebot entfernt werden. Außerdem verdienen die Verlage an den generierten Besuchen ihrer Webseiten über die Werbeeinnahmen mit. Google verschafft den meisten Verlagsangeboten 50 % ihrer Besucher und damit Werbeeinnahmen.
Der Hinweis auf leicht konsumierbare Nachrichtensammlungen beinhaltet, dass die Verlage gerade diese leicht konsumierbaren und attraktiven Sammlungen wie bei Pocket nicht anbieten und so eine Marktchance vergeben.
– Downloadplattformen mit ganzen Zeitungen und Zeitschriften sind ein Randproblem (nicht vergleichbar mit der Beliebtheit dieser Plattformen bei Audio und Video), da es keine wirklich problematischen Downloadzahlen gibt. Außerdem sind diese Angebote auch bisher schon rechtswidrig. Wenn Verlage sich über das Belegen von Rechteketten beklagen, ist das mehr ein Grund das eigene Rechtemanagement zu verbessern, als nach dem Staat zu rufen.
– Gewerbeunternehmen: Auch bei Unternehmen sind bereits heute Gebühren für die Zusammenstellung von Pressespiegeln zu entrichten. Unternehmen zahlen außerdem über die Kopierabgaben auf Festplatten, Mobiltelefone oder Kopierer und Drucker für das Anfertigen von Kopien. Mit dem Leistungsschutzrecht würden die Unternehmen für den gleichen Vorgang dann zum dritten Mal mit Gebühren belastet, obwohl die meisten Unternehmen die Geräte überhaupt nicht zum Vervielfältigen von Presseerzeugnissen nutzen.
– Verticals: Themen-Spezialseiten werden gerade von den Verlagen selbst angeboten und sind daher kein Fall für das Leistungsschutzrecht. Verticals anderer Plattformen scheitern bereits heute am Urheberrecht. Ein weiterer Schutz ist nicht von Nöten.
Der Hinweis des VDZ / BDZV auf die fehlende Beteiligung an den Einnahmen ist ebenfalls irreführend. Da Verlage durch Total Buyout meistens den Journalisten alle Rechte abgenommen haben, würde Erlöse aus dem Leistungsschutzrecht nur in minimalem Umfang den Urhebern zugute kommen. Es geht ausschließlich um die staatliche Subventionierung überholter Geschäftsmodelle.
2. Das Leistungsschutzrecht wird keine neuen Erlöse schaffen, da es keine neuen Geschäftsmodelle fördert.
Ohne Leistungsschutzrecht müssen Verlage, Aggregatoren und Journalisten neue Wege gehen, und am Beispiel New York Times kann man sehen, dass es lukrative Wege für alle gibt. In einem sehr dynamischen Markt können gesetzliche Regelungen niemals schnell genug auf die Entwicklungen im Markt reagieren.
Da die Aggregatoren auf Anforderung die Aufnahme von Snippets und Links in ihre Angebote sofort stoppen, ist eine gesetzliche Regelung nicht notwendig. Es besteht ja bereits die Bereitschaft zur Einigung. Der VDZ/BDZV täuscht mit seiner Argumentation auch den Leser, da er behauptet, ohne Leistungsschutzrecht würden immer mehr Besucher von den Webseiten fern bleiben und die Werbeerlöse würden sinken. Kopierte Webseiten sind gerade nicht das Problem der Verlage und die Aggregatoren sind es gerade, die die Besucherzahlen steigern helfen.
Es ist auch eine dreiste Lüge, dass Jobs für Journalisten durch das Leistungsschutzrecht gesichert werden könnten. Seit zehn Jahren verweigern die Verleger den Journalisten eine angemessene Vergütung und ignorieren die entsprechenden Passagen im Urhebervertragsrecht. Wie die Bundeszentrale für politische Bildung am 10. Juli berichtete, ist die Einkommenssituation der Journalisten sehr schlecht und die Urheber haben an dem wirtschaftlichen Erfolg der Verlage nicht teil. Warum sollten Verleger die Erlöse aus dem Leistungsschutzrecht plötzlich mit den Urhebern teilen wollen, obwohl sie über Jahre gezeigt haben, dass es ihnen nur um Gewinnoptimierung geht.
3. Es gibt keine Lücke im Urheberrecht, die geschlossen werden muss.
Die Verlage bedauern hier, dass es ihnen noch nicht zu 100% gelungen ist, den Total Buyout bei allen Urhebern durchzusetzen und man möchte jetzt die Urheber per Gesetz komplett entmachten. Der Nachweis der kompletten Rechtekette ist für einen Verlag relativ einfach, da er ja nur den Vertrag mit dem Urheber vorlegen muss. Automatisierte Kopiervorgänge und Massenproduktion sind gerade nicht das Merkmal von gutem Qualitätsjournalismus. Im Gegensatz zu Musikverlagen oder Filmproduzenten ist die Rechteverwaltung im Verlagsbereich äußerst einfach. Meistens reicht die Prüfung eines Vertrages für diesen Nachweis. Verlage beschäftigen für einen Artikel keine Hundertschaften an Zulieferern. Außerdem erledigen einfache Datenbanken derartige Automatisierungen mit geringem Aufwand und eine funktionierende Buchhaltung sollte in einem Verlag ja vorhanden sein.
Der Wunsch nach Automatisierung deutet auf die Absicht eines lukrativen Abmahnwesens hin. Verlegern könnten ohne Nachweis der Urheberschaft und des Willens des Urhebers Hunderttausende Abmahnungen auf den Weg bringen. Der Urheber wäre vollständig seiner Rechte beraubt.
Das Leistungsschutzrecht enteignet die Urheber auch bei der Weiterverwertung an Dritte, da das Urheberrecht durch den Schutz von Snippets aus drei oder mehr Worten mit dem Leistungsschutzrecht kollidiert. Der wirtschaftliche Schaden des Urhebers und die enteignende Monopolisierung der Sprache wären die unausweichlichen Folgen.
4. Das ist ungerecht
Der Vergleich mit Musikverlagen oder Filmproduzenten ist nicht angemessen. Für die Produktion eines Films müssen Finanzierungen in Millionenhöhe beschafft werden und der Produzent muss die Rechte von unzähligen Personen und Unternehmen beschaffen. Das Leistungsschutzrecht ist dort also kein Schutz gegen leichtes Kopieren, sondern für die immensen Vorleistungen, die zur Schaffung des Werkes organisiert werden müssen. Ohne den Produzenten gäbe es das Werk in der Regel nicht.
Dagegen treten im Pressebereich nur die Urheber in Vorleistung. Freie Journalisten erhalten ihre Honorare oft erst Monate nach der Lieferung an den Verlag. Es gilt auch nicht eine große Zahl von Urhebern zu organisieren, damit das Werk entstehen kann.
Jeder Artikel in einer Zeitung ist ein eigenständiges Werk und die Zeitung nur eine zufällige Zusammenstellung. Die Leistung des Verlegers sind also nur die Zusammenstellungsleistung und das Layout und für beides wird er vom Leser angemessen honoriert. Gerade im Zeitalter des Internets verliert die Zusammenstellungsleistung an Bedeutung, da die Nutzer heute über Empfehlung von Freunden, über Social Media (Twitter, Facebook, Delicious) oder über Suchmaschinen und Aggregatoren sich die lesenswerten Texte selbst suchen. Gerade im Internet macht daher der Wunsch nach Bezahlung der Zusammenstellungsleistung überhaupt keinen Sinn. Das Layout wird vom Browser bestimmt und stammt im Web also nicht vom Verlag.
Es ist auch falsch, dass die Zeitung oder der Zeitungstitel Teil der öffentlichen Debatte sei. Debattiert werden die Artikel und die Positionen der Urheber dieser Artikel. Die Urheberrechte an den Diskussionsbeiträgen werden von den Verlagen durch ihre AGBs von den Teilnehmern der Diskussion gleichsam abgepresst.
5. Das Leistungsschutzrecht verhindert Innovationen
Das Leistungsschutzrecht unterbindet das Entstehen neuer Geschäftsmodelle, da bei einem Opt-In Verfahren die Rechtebeschaffung in der Praxis überhaupt nicht mehr möglich ist. Wer einen neuen Aggregator erstellen möchte, müsste bei Zehntausenden Urhebern, Websitebetreibern und Verlagen die Rechte beschaffen. Die Bürokratie zur Rechteverwaltung würde jedes Projekt zum Scheitern verurteilen. Außerdem würde ein Leistungsschutzrecht Deutschland zu einer Insel im Internet machen, da das Leistungsschutzrecht nicht kompatibel mit der restlichen Welt wäre.
Da Leistungsschutzrechtträger Aggregatoren, Websites oder anderen Anbietern einfach die Nutzung verweigern können, kann so eine kritische Berichterstattung Dritter unterbunden werden. Somit verträgt sich das Leistungsschutzrecht nicht mit Artikel 5. Die Freiheit der Berichterstattung ist dann Geschichte.
Das Leistungsschutzrecht ist
1. eine Subvention der Verleger zur Rettung überholter Geschäftsmodelle.
ein bürokratisches Monster. Eine schnelle und unbürokratische Lizenzvergabe kann es nicht geben, da die Zahl der Anbieter immens ist und jeder andere Konditionen anbieten kann. Das Gesetz schafft daher auch keine Rechtssicherheit, sondern sorgt nur für unzählige Gerichtsverfahren. Dagegen ist das marktwirtschaftlich orientierte und gut erprobte Verfahren des Opt-Out unbürokratisch und einfach. Es kann nicht Sinn eines Gesetzes sein, dass man ein funktionierendes Verfahren abschafft und durch Rechtsunsicherheit ersetzt.
2. Das Leistungsschutzrecht trifft auch Privatleute
Privatpersonen, die regelmäßig zu einem Thema berichten, werden zu Berechtigten und zu Zahlungspflichtigen im Sinne des Leistungsschutzrechts. Auch führen bereits ein paar Banner zur Finanzierung der Kosten zur Zahlungspflichtigkeit.
3. Das Leistungsschutzrecht monopolisiert Sprache
Da es bereits kleinste Textfetzen unter Schutz stellt. Es gibt keine Grenze für Fair Use. Gäbe es diese Grenze beispielsweise ab 20 Worten, dann würde es den Verlegern nicht reichen. Setzt es aber noch früher ein, kommt es zwangsläufig zur Monopolisierung der Sprache. Dem Referentenentwurf ist zu entnehmen, dass wohl auch wenige Worte schon unter den Schutz fallen sollen, weil sie als Teil eines Presseerzeugnis gewertet werden können
4. Das Leistungsschutzrecht schadet der deutschen Wirtschaft
Aggregatoren sind regelmäßig kein Teil der Schattenwirtschaft, sondern versorgen die Verlage mit Besuchern und somit bringen sie den Verlagen erhebliche Werbeeinnahmen. So arbeitet Google News völlig werbefrei und nur die Verlage machen damit Gewinne.
Gewerbliche Nutzer müssten künftig ein drittes Mal für die gleiche Leistung bezahlen. Da die Rechte schon bezahlt sind, kann man auch hier von keiner Grauzone sprechen.
Die versprochenen modernen Lizenzierungsmodelle funktionieren weltweit bereits ohne Leistungsschutzrecht und würden durch ein selbiges nur behindert.
Ein modernisiertes Urheberrecht mit klar abgegrenztem Fair Use und ein überarbeitetes Urhebervertragsrecht, welches sicherstellt, dass Urheber tatsächlich und rechtlich durchsetzbar eine angemessene Vergütung erhalten, wäre das bessere Signal für Investitionen in unsere Wissensgesellschaft.
5. Verlagswebseiten werden auch ohne ein Leistungsschutzrecht nicht behindert.
Niemand zwingt Verlage, ihre Angebote kostenfrei im Internet anzubieten. Bereits jetzt kann jeder Verlag jede Suchmaschine und jeden Aggregator aussperren. Auch heute kann jeder Verlag die Nutzung seiner Verlagsinhalte an eine Lizenz koppeln und so von Aggregatoren Geld verlangen.Ein Leistungsschutzrecht verändert daran nichts.
Einen Zwang zur Forderung einer Abgabe gibt es bisher auch nicht. Das Leistungsschutzrecht verlangt jetzt aber das bürokratische Opt-In, während es bislang das sehr einfach anzuwendende Opt-Out-Verfahren gibt.
Der Vergleich mit dem Taxifahrer hinkt keineswegs. Der Taxifahrer bringt einen Verbraucher zu einem Produkt und die Suchmaschine den Leser zum Presseerzeugnis. Die zwingende Logik lautet: Der Verlag muss dem Aggregator oder der Suchmaschine für die Zuführungsleistung Geld bezahlen und darf nicht von ihm Geld fordern. Der Nutzer von Suchmaschinen kommt auch nicht gesättigt beim Presseerzeugnis an, sondern hat durch die Suchmaschine erst richtig Appetit bekommen.
Das Ergebnis von dieser völlig realitätsfernen Sicht des VDZ/BDZV konnte man in Belgien schon bewundern. Nach einem Gerichtsurteil gegen Google schaltete Google einfach die betroffenen Dienste in Belgien ab. Nach vier Tagen kamen die Verleger und meinte, so hätten sie das nicht gemeint. Auch in Deutschland werden Google und Co. nach Einführung des Leistungsschutzrechts wohl viele Dienste einfach abstellen.
6. Suchmaschinen werden behindert
Natürlich behindert ein Leistungsschutzrecht nicht die Suchmaschine beim Suchen. Allerdings dürften dann die Treffer nur noch als Links ohne Überschrift und ein paar Worte aus dem Kontext aufgelistet werden. Ohne diese Snippets machen Suchmaschinen kaum noch Sinn. Deutschland würde international abgehängt und als Standort schwer geschädigt.
Abschließend muss festgestellt werden, dass auch der Nachweis des Marktversagens unterblieben ist, was auch bei einem gut funktionierenden Markt nicht anders zu erwarten war.
Das Leistungsschutzrecht braucht niemand und will niemand außer ein paar Verlegern, die nicht fähig sind, ihr Geschäft erfolgreich zu besorgen.
Es bleibt zu hoffen, dass einige Politiker nicht aus Angst vor schlechter Presse in der Zeit des bevorstehenden Wahlkampfes nicht zu einer falschen Entscheidung bei diesem unnötigen Gesetz kommen. Das könnte in Zeiten der Bürgerbeteilung und des Internets zu unerwünschten Reaktionen führen.
Dipl.-Ing. Klaus D. Minhardt
stv. Vorsitzender DJV Deutscher Journalisten-Verband Berlin-Brandenburg e.V.