Hat Print eine Zukunft oder ist die Zukunft Online?

Kommentar zu ufomedia Artikel „Alles digital“

Leider ist die Welt des Journalismus voll mit Realitätsverweigerern, die mit allen Mitteln das „Alte“, das „Gute“ erhalten wollen. Diese Betriebsblinden findet man besonders konzentriert als Funktionäre oder Manager in Verbänden und Konzernen.

Gerade wird bei DJV und ver.di über die Höhe der Forderung in der nächsten Tarifrunde diskutiert. Ein Thema, dass sich ständig wiederholt und einen breiten Raum in den Gewerkschaften einnimmt. Eine Diskussion über den Journalismus in Zeiten von Online findet aber praktisch nicht statt.

Natürlich wird sofort protestiert, falls ein Verlag eine Redaktion outsourced oder Redaktionen zu einer Zentralredaktion vereint werden. Das geschieht aber nicht unter dem Aspekt der Zukunft des Mediums, sondern immer zum Erhalt von Arbeitsplätzen. 
Mittlerweile sind deutlich über 50 % der Mitglieder Freie und viele Bundesländer haben keinen einzigen Verlag mit Tarifbindung mehr. Eigentlich müssten alle Alarmglocken laut klingen. Für wen und mit wem wollen wir in Zukunft überhaupt noch über Tarife verhandeln? Für ein paar Tausend tarifgebundene Redakteure oder für 100.000 Freiberufler?

Der Wandel findet also auch bei der Art der Beschäftigung statt und man muss gleichzeitig zur Frage Print und/oder Online auch die Frage nach fest/frei stellen.

Derzeit verdient die Mehrzahl der Freien unter 2000 € brutto im Monat und ist auf Nebentätigkeiten wie Seminare, Ebay-Shops, Versicherungsvertrieb oder Taxifahren angewiesen. Mit einer 40-60 Stunden Woche kann man als Freier nur in wenigen Ausnahmefällen leben.

Daher brauchen wir auch neue Möglichkeiten für Freie Geld zu verdienen. Wer als Freier Online Geld verdienen will braucht Micropayment. Es fehlen Möglichkeiten zur automatisierten Zweitverwertung. Es gibt kaum Plattformen, die zeitungsähnlich Freien eine Plattform zur Vermarktung bieten. Die besten Journalisten werden derzeit zwischen Sparwahn und Medienwandel aufgerieben.

Was das mit der Frage Print oder Online zu tun hat?

Wer guten Lokaljournalismus machen will, der sollte die besten Leute beschäftigen und ihnen genug Geld bieten, damit gut recherchierte und knackig geschriebene Texte entstehen können. Print stirbt nicht wegen des altmodischen Papiers, sondern wegen des fehlenden Nutzwertes, sofern dieser nicht über die Funktion des Einwickelmediums für Fisch hinausgehen sollte.

Man kauft künftig keine Sammlungen gestriger dpa-Artikel als Zeitung. Die Agenturmeldungen bekommt man frisch via Twitter oder TV garniert mit interessanten Links und Kommentaren.

Die Zeitung muss genau hier den Mehrwert bieten. Ein guter Kommentar von Heribert Prantl – sofern er nicht gerade Verlagspropaganda für das unsägliche Leistungsschutzrecht schreibt – oder eine Meinung von Schirrmacher finde ich nicht bei den Agenturen. Umfangreiche Dossiers zur geplanten Müllverbrennungsanlage oder geleaktes Material zu S21 sind ein USP.

Zeitungen müssen Geld im Newsbereich und bei den 08/15-Meldungen einsparen, da damit keine Abonenten zu gewinnen und keine Zeitungen zu verkaufen sind. Das bieten von TV bis Online alle anderen Medien viel schneller und multimedialer.

Warum nicht kostenlose Artikel von Vereinen verwenden und das gesparte Geld für einen Scoop verwenden? Natürlich schreit hier der DJV auf und jammert, dass man keine Amateure beschäftigen solle. Blödsinn! Das Budget für den redaktionellen Teil ist nicht variabel. Daher sorgt jeder kostenlose Artikel für mehr Geld für die Profis. Der DJV und ver.di hätten nur dann Recht, falls man das gesparte Geld nicht für eine bessere Zeitung nutzen würde. Wer aber so spart und nicht investiert, der wird zusperren müssen.

Wir müssen auch bereit sein neue Geschäftsmodelle zu kreiren. Warum erscheint die Zeitung nicht am Abend und alle Nachrichten sind vom Tage statt von gestern?

Brauchen wir überhaupt noch eine Tageszeitung oder sollte man die Erscheinungsweise nicht auf wöchentlich umstellen und das Aktuelle Online anbieten, wie es die Tageswoche aus Basel macht?

Sind Zentralredaktionen der richtige Weg oder verliert die Zeitung nicht so ganz schnell die lokale Kompetenz? Der Leitsatz „all politics is local“ führt uns zum Ergebnis, dass Zeitung wieder viel kleinteiliger und lokaler werden muss.

Nur die Lokalzeitung wird als „Meine Zeitung“ bezeichnet. Die Leserblattbindung wird durch Zentralredaktionen gestört und Online dürfte diese Beziehung kaum herstellen können. Die Lokalzeitung muss diesen Vorteil nutzen. Dazu kommt, dass Lokales im Web ein Schattendasein führt, da bei Suchanfragen immer das gesamte Web durchsucht wird. Wer Werbung zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort an den Rezipienten bringen will, der ist auf Lokalzeitungen und Lokalradios angewiesen.

Genau hier zeigt sich, dass es auch künftig für Print und für Online einen Markt geben kann. Es gibt kein Zeitungssterben, sondern es sterben die Zeitungen, die sich an die veränderten Bedingungen nicht anpassen.

Der DJV hat hier einiges nachzuholen. Mit Realitätsverweigerung droht DJV, ver.di, bdzv und vdz das Schicksal der Dinosaurier.

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