Der Journalistenverband will Tausende von Mitgliedern vor die Tür setzen. Warum eigentlich?

Vor genau zwei Jahren hat der Deutsche Journalistenverband (DJV) für seine Betriebsräte ein Merkblatt zum Thema „Mobbing“ gedruckt und aufgezählt, wie das so funktioniert. So werde „das soziale Ansehen in Misskredit gebracht“, Menschen würden „schlichtweg nicht ernst genommen“ oder „Opfer werden daran gehindert, sich einzubringen“. Damit hat die traditionsreiche Journalistengewerkschaft ziemlich präzise umschrieben, was sich seit gut vier Wochen in ihren Reihen, besonders in Berlin und Brandenburg abspielt. „Öffentlich ausgetragene Schlammschlachten“ konstatiert DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken inzwischen, „tief entsetzt“ zeigt sich etwa Bernd Martin, der Vorsitzende des DJV-Landesverbandes Brandenburg. Dieser Landesverband soll, geht es nach dem Willen des DJV-Bundesvorstands, ebenso wie der Berliner Landesverband komplett aus dem DJV ausgeschlossen werden – ein in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte einmaliger Vorgang.

Dem Beobachter zeigt sich ein Gewirr aus Intrigen, Verleumdungen und alten Rechnungen. So brodelte es im Berliner Verband schon seit längerem. Der einstmals satt im überschaubaren westberliner Medienmilieu zwischen SFB, Tageszeitungen und einigen Radiosendern angesiedelte Verband kam ausgerechnet Ende der Neunziger ins Strudeln, als die Medienkarawane in der neuen Hauptstadt ankam. Finanzielle Unregelmäßigkeiten, eine kaum kontrollierte Geschäftsstelle, schließlich das finanzielle Desaster mit dem in der Hauptstadt-Hype in die Bedeutungslosigkeit abgleitenden „Berliner Presseball“ – im April 2002 rollten Köpfe. Doch die neuen unter dem SFB-Journalisten Alexander Kulpok, seit 1998 Vorsitzender, bekamen auch nicht gleich alles in den Griff. Aber sie setzten Wirtschaftsprüfer ein, die die letzten Jahre durchleuchteten und pünktlich zur Hauptversammlung Anfang Juni ihren Bericht vorlegten.

Aber da bestand schon eine gut organisierte Oppositionsgruppe von „Berliner Journalisten“, die mit eigener professioneller Homepage von sich reden machte. Bei den Vorstandwahlen Anfang Juni konnte sie sich jedoch nicht durchsetzen. Kulpok wurde nach vier turbulenten Stunden wieder gewählt, ein Großteil des stark verjüngten Vorstandes neu gewählt. Die Oppositionsgruppe wirft Kulpok Misswirtschaft und Intransparenz vor, dieser verweist auf die Verjüngung des Vorstandes und darauf, dass der Verband endlich wieder entlastet und liquide sei.

In Brandenburg zur gleichen Zeit ein ähnliches Bild: hier wird der jahrelange Vorstand alt eingesessener märkischer Journalisten Mitte Mai überraschend abgewählt und eine junge Truppe übernimmt den Vorstand. Stellvertretender Vorsitzender wird Torsten Witt, seit elf Jahren DJV-Mitglied. Ihn fordert die DJV-Bundesleitung via Presserklärung umgehend zum Rücktritt auf. Begründung: „Im DJV ist kein Platz für Rechtsextremisten“, so DJV-Bundesvorsitzender Konken. Das Problem ist nur: Belege für eine rechtsextremistische Tätigkeit Witts gibt es nicht. Zwar hat er einige Jahre für den rechtskonservativen „Bund Freier Bürger“ agiert. Und vor fünf Jahren hat er einmal gegen das Holocaust-Mahnmal demonstriert, damals ist Horst Mahler neben ihm auf einem Foto zu sehen. Aber Mahler war damals noch nicht NPD-Mitglied und wurde von renommierten Nachrichtenmagazinen interviewt. „Ich habe mit Mahler nie politisch zusammengearbeitet“, beteuert Witt. Inzwischen hat er eine einstweilige Verfügung gegen den DJV und dessen Vorsitzenden erwirkt, die ihnen untersagt, ihn als „Rechtsextremist“ zu bezeichnen. Dagegen hat der Bundesverband zwar Widerspruch eingelegt – aber nur dahingehend, dass sie ihn doch gar nicht so bezeichnet hätten. Und so verbreitet er die bewusste Erklärung weiterhin im WWW, trotz der Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro durch das Landgericht München.

Wie vergiftet das Klima in dem einstigen Renommierverband inzwischen ist, wurde am vergangenen Montag auf einer DJV-Bundesvorstandssitzung in Schwerin deutlich. Da lief eigentlich noch die Überprüfung der Berliner und Brandenburger Vorstandswahlen, denn, so Konken in einer Presseerklärung, „der Vorwurf der Wahlmanipulation“ stünde im Raum. Als Bernd Martin am Montag mit einem Koffer voller Wahlunterlagen ankam, interessierte dies jedoch niemanden mehr. Für Mittwoch war ein Termin noch bei einer Anwältin vereinbart, aber auch er kam nicht mehr zu Stande.

Denn stattdessen setzte der erweiterte DJV-Bundesvorstand den beiden Vorsitzenden aus Berlin und Brandenburg bereits am Montag ein Ultimatum: sie sollten innerhalb von zwei Tagen zurücktreten, sonst würden ihre Verbände ausgeschlossen und neue gegründet. „Das ist der schlimmste Rechtsbruch in der Geschichte des DJV“, sagt der Berliner DJV-Chef Kulpok. „Wenn wir ein einzelnes Mitglied ausschließen wollen, hören wir es zweimal an und nutzen ein festes Procedere.“ Hier aber würden Tausende von Journalisten einfach per Vorstandsbeschluss rausgeworfen. Die Klage, dass in der Kommunikationsgewerkschaft DJV nicht einmal einfachste journalistische Grundsätze wie das „audiatur et altera pars“ gewahrt würden, hört man oft in diesen Tagen.

Inzwischen hat die DJV-Bundesebene die Vorwürfe der Wahlmanipulation, der Satzungsverstöße und der rechtsextremen Unterwanderung offenbar fallen gelassen. Vorgeworfen wird den beiden Landesvorständen nun der „Imageschaden“ sowie fehlende „Kollegialität“ und „Solidarität“. Dies äußere sich etwa in DJV-kritischen Texten auf der Homepage der Landesverbände. Ob der Ausschluss auf rechtlich sicheren Füßen steht, werden wohl bald Gerichte entscheiden. DJV-Sprecher Zörner sagt: „Es ging am Ende nicht um die Frage, ob gegen irgendwelche Paragrafen verstoßen wurde. Sondern wir haben politisch entschieden.“

Artikel aus „Die Welt“: „Intrigen, Verleumdungen“

von Guido Heinen

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